Bikepacking mit einem MTB: 3 Tage in Brandenburg

River-Crossing

Gemeinhin ist Brandenburg nicht besonders für Single-Trails bekannt. Und das wird sich vermutlich auch nie ändern. Ich wollte aber für die kommende Saison mal mein MTB als Lastenesel ausprobieren – Bikepacking mit einem MTB. Was bietet sich da in Brandenburg besser an als das Gebiet rund um die Oderbruchkante? 2020 war ich in der Region bereits 3 Tage lang unterwegs.

Dieses Mal, Anfang April 2021, wurde das Mountainbike bepackt und los ging es von Berlin mitten hinein ins Oderbruch (Komoot), die Oderbruchkante entlang nach Norden (Komoot) über Wriezen und Bad Freienwalde und schlussendlich zum Endpunkt nach Eberswalde (Komoot). Insgesamt wurden es 240 Kilometer. Die Reichweite lag dabei nicht im Fokus, sondern der Spaß am Bikepacking. Belohnt wurde meine Spontaneität mit 2 Tagen bestem Sonnenwetter, dem ersten Sonnenbrand des Jahres und vielen tierischen Eindrücken.

Bikepacking mit einem MTB – Tech stuff

Die Idee, mit einem Mountainbike abseits der Wege tagelang autark unterwegs sein zu können, reizt mich, seit ich dem Bikepacking-Trend erlegen bin. 2021 möchte ich auf anstrengenden und holprigen Wegen einmal das Erzgebirge durchqueren. Doch welches Rad eignet sich dafür am besten? Bei mir stehen keine Kona ULTD, Bombtrack Beyonds oder sonstige long-distance-Maschinen bereit. Nein, es geht auch einfach mit dem Rad, welches man bereits hat.

Ich besitze ein Cube Nuroad, mit dem man schöne (Gravel-) Touren fahren kann, aber für die angesprochene Tour verspricht es nur wenig Spaß. Mit 40mm sind meine Reifen von einer angenehmen Breite und die „Aero gravelbar“ von FARR ist eine echte Augenweide. Aber mit Beladung lässt mich die 105er-Schaltung bei 50/34-Kurbel und 11-32er Ritzel im Mittelgebirge bereits arg hängen. Für den Rennsteig hat es gerade so gelangt.

Von einem Freund habe ich ein 2011er Bulls-Rad abgekauft. Ganz schön in die Jahre gekommen, habe ich einiges an Geld reinstecken müssen. Die miese Federgabel kam raus und eine neue und starre Gabel rein. Die 3×9 Schaltung kam ebenso raus und eine neue 1×10 Deore XT rein. Die Laufräder waren auch nicht besonders Zucker – zack, habe ich ein Paar gebrauchte 26er Mavics installiert. Die alten Avid-Bremsen wurden entlüftet, neue Bremsbeläge eingelegt und eine Variostütze von GravityDropper installiert. Zusätzlich kam noch ein Lenker mit Rise und Backsweep: der Ritchey Comp Kyote mit 800mm Breite.

Inspiriert von Tristans Surly ECR wollte ich nun herausfinden, wie fähig ich dieses Rad über eine längere Strecke fahren kann und welche weiteren Anpassungen es noch benötigt. Unter anderem habe ich am Downtube einen Cage befestigt, um darin eine 1l-Flasche zu transportieren.

Für diese erste Tour habe ich den für mein Cube vorgesehenen Gepäckträger Racktime Light-it genutzt. Die Ösen waren vorhanden, aber ich musste ihn links und rechts um je einen Zentimeter dehnen, um den Körper der Scheibenbremse zu umgehen – dafür haben irgendwelche harten „Unterlegscheiben“ genügt. Die Schrauben wurden zusätzlich mit Locktite versehen (Nagellack soll es auch tun). Die 2,2 Zoll breiten und 26 Zoll großen Reifen passen prima und geben einen schnellen Antritt.

Mit einer 14l Lenkerrolle, 5l Accessory Bag, 5l Frame Bag (2l davon eine Trinkblase) sowie einem 10l Drybag war alles fest ans Rad gezurrt: Von der Daunenjacke bis zum Zelt. Würde während der Fahrt nichts klappern und nichts durchscheuern?

Drei Tage durch den Osten Brandenburgs

Achtung, Hirsch!

Mit unfassbar gutem Wetter in Aussicht trete ich kurz vor Ostern 2021 in die Pedalen. Die ersten Kilometer tragen mich die Reifen recht lautstark über den Asphalt im Osten der Hauptstadt. Die dicken Mountainbike-Reifen sind nicht für Asphalt gedacht und so erfreuen sie sich schnell an kilometerlangen Waldautobahnen in Köpenick. Ob ich auch ein paar Tiere erblicken werde?

Die Waldautobahn beginnt hinter Erkner immer breiter zu werden. Kaum genieße ich die Ruhe der Wälder und frage mich, welche Tiere ich in den kommenden Stunden erblicken könnte, rennen doch tatsächlich eine Hirschkuh und ein Hirsch fünf Meter vor mir über den Weg. Unglaublich! Wahrscheinlich genauso erschrocken wie ich, flüchten die magischen Geschöpfe in den Wald. Noch einmal blicken sie zurück, mir in die Augen, und machen sich von dannen. Da hat sich der Ausflug ja jetzt schon gelohnt, denke ich mir.

Meine Route schlängelt sich weiter gen Osten. Auf der Höhe Fürstenwaldes, etwas nördlich der Domstadt an der Spree, öffnet sich nun die Landschaft. Durch frisch bestellte Felder führen mich steinige Feldwege. Die massiven Räder der Traktoren haben zudem tiefe Furchen hinterlassen und es ist nicht einfach, eine geeignete Linie zu finden.

Ich rolle in das kleine Dorf Buchholz ein und stelle just bei Verlassen des Dorfes fest: Hier gibt’s was zu holen! In einer kleinen Holzhütte stehen ein Milch- und zwei weitere Automaten, die mit jeder Menge regionalen eingepackten Leckereien auf mich warten – ich bin überglücklich über den Fund frischer Wildwurst.

Meine letzte Etappe führt mich durch Seelow, die „Hauptstadt“ des Landkreises Märkisch-Oderland. Im ansässigen Lebensmitteleinzelhandel erstehe ich wenige Lebensmittel und rase den Oderhang hinunter ins Oderbruch. Das vor Jahrhunderten trockengelegte Binnendelta durchziehen heute einige wenige Ströme.

An einem Ufer der Alten Oder schlage ich also nach 7 Stunden im Sattel das Zeltlager auf. Eine satt grüne Wiese mit exakt genügend Platz für mein Rad und mein Zelt begrüßen mich. Ein mittelgroßer Ponton schwimmt am Rande des Ufers und bietet mir einen angenehmen Platz, um die überaus aktiven Biber sowie einen herrlichen Sonnenuntergang zu beobachten. Das war er also: Der erste Tag Bikepacking mit einem MTB.

Im Auf und Ab der Oderbruchkante

Die Wettervorhersage hat nicht gelogen! Bei bestem Sonnenschein und perfekt blauem Himmel trocknet mein Zelt im Nu. Das lässt mich sogar über mein kaltes Müsli am Morgen hinwegschauen. In aller Seelenruhe packe ich zusammen und ignoriere gekonnt den leicht schmerzenden Hintern vom Vortag.

Der Tag beginnt sehr ruhig: Im flachen Oderbruch spule ich einige Kilometer auf Straßen und unbefestigten Wegen zwischen den Ackerflächen hinunter. Im beschaulichen Dorf Quappendorf geselle ich mich zu einem alten Anglerpaar und schaue dabei zu, wie sie versuchen, der Alten Oder einige Fische zu entreißen. Ein Erfolg stellt sich während meiner Rast nicht ein. Petri heil!

Ich verlasse die geteerten Wege und umrunde auf Feldwegen den Flugplatz Neuhardenbergs. Zu DDR-Zeiten war hier die DDR-Regierungsfliegerstaffel stationiert. In Neuhardenberg selbst ist noch ein wenig Zeit für eine hübsches Bikefoto vor der weißen, klassizistischen Schinkelkirche.

Es geht wieder hinein in den Wald und nun im ewigen Auf und Ab der Oderbruchkante. Mehrfach pflügen sich meine Räder durch den berühmt-berüchtigten Brandenburger Sand, ehe ich plötzlich eine Lichtung zu meiner Rechten erblicke, in dessen Mitte, umgeben von großen Findlingen, sich 15 junge Frauen versammeln: „.. Sind des Märkers Freude, sind sein Heimatland …“. Still lausche ich den Pfadfinderinnen und ihrem Gesang des Volksliedes „Märkische Heide“. Ihre Fähnchen wehen im Wind, die Vögel zwitschern und die Bäume knarzen im Wind…

Nach diesem wunderschönen Moment der Ruhe rausche ich wieder hinein in den Wald. Ich lasse Wriezen hinter mir und kämpfe mich durch die Wriezener und Biesdorfer Kehlen. Durch das Minidorf Sonnenburg hindurch gelange ich zum sagenumwobenen Baasee und seiner Waldschenke. Corona-bedingt ist diese geschlossen, doch die Magie geht hier nie verloren. Dichter Wald umgibt den zu- und abflusslosen See, den einst ein riesiges, zurückgebliebenes Stück Gletscher formte.

Genug geklettert für heute. Nach 520 Höhenmetern bergauf, geht es nur noch bergab. Die kühle Waldluft rauscht an meinen Ohren vorbei, während ich hinab nach Bad Freienwalde sause. Von hier aus geht es über Teile der alten Bahnstrecke Bad Freienwalde – Angermünde nach Oderberg. Hier beziehe ich Quartier auf dem Wasserwanderrastplatz des ansässigen Kanuverleihs und genieße einen fantastisch klaren Sternenhimmel.

Entspannt durch die Berge der Schorfheide

Puh, doch schon 12 Uhr? Nach dem gestrigen Tag brauchte ich wohl eine ganze Portion Schlaf und kam dazu nicht aus den Federn meines Schlafsacks. Sei’s drum, heute ist Genusstag! Mit einem inzwischen toten Handy und ohne Auflademöglichkeit verabschiede ich mich vom Kanuverleih und suche den Weg nach oben – hinauf in die Hügel der Schorfheide.

Die fehlende Navigation entpuppt sich für mich als ein Traum. Ich beobachte die Umgebung wesentlich intensiver und beschäftige mich viel mehr mit der Landschaft: Wo könnte dieser Weg hinführen? Wo steht gerade noch einmal die Sonne? Für mich stellt sich ganz klar das Gefühl ein: Ohne Navigation fährt es sich viel angenehmer! Natürlich ist das nicht für jede Tourenart geeignet, aber gerade in diesem Moment super angenehm und irgendwie, das was ich ja suche: Abenteuer.

Der Tag plätschert ein wenig daher und meine Reifen schieben sich über lichte Waldwege. Da ich keinerlei Navigation besitze, fahre ich frei Schnauze durch die Gegend. Im (steilen) Auf und Ab der südlichen Schorfheide sammle ich einige Höhenmeter, fahre irgendwie auch mal Kreis und über Stock und Stein. So ganz schlau werde ich aus manchen Schildern nicht, aber was soll’s!

Schlussendlich finde ich passende Schilder, die mir den Weg nach Chorin weisen. Über ein kilometerlanges Kopfsteinpflasterparadies geht es immer weiter gen Westen. Auch wenn ich den Moment schätze, als das Pflaster zu Ende geht: Der ländliche Barnim ist von diesen alten Straßen geprägt und ihre kulturhistorische Bedeutung ist dabei gar nicht zu unterschätzen.

Zu Guter Letzt rolle ich nach Eberswalde. In der warmen Sonne flitzen junge Menschen zwischen einer kurzen Abkühlung im sehr kühlen Nass und ihren Grills hin und her. Ich genieße ein paar letzte Augenblicke und erkunde die Pfade der „Waldstadt“. Ich glaube, auch dieser Stadt müsste ich mal einen ganzen Tag widmen. Das war es also gewesen: Mein erstes Mal Bikepacking mit einem MTB. Ich freue mich auf Wiederholungen!

Bikepacking mit einem MTB: Fazit

Was habe ich auf der Tour über mein umgebautes Bastler-MTB gelernt?

  1. Bikepacking mit einem MTB macht richtig Laune und ist vom Fahrverhalten her deutlich vom Gravelrad abzugrenzen.
  2. Man braucht kein neues Bikepacking-spezifisches MTB, um ein kleines Abenteuer zu starten.
  3. Auch mit 26″ Reifen kommt man sehr gut vorwärts. Die Vorteile dieser Reifengröße – die Beschleunigung- erwarte ich besonders im Mittelgebirge.
  4. Meine Reifen sind mit 2,2 Zoll breit genug, um für etwas Komfort ohne Federgabel zu sorgen.
  5. Der Ritchey Comp Kyote ist mit 800mm ein unfassbar breiter Lenker. Während langer Passagen fasse ich gerne in den vorderen Bereich der Krümmung. Ob ich den Lenker kürzen würde? Eher nicht, denn dann ginge mir aus Platzmangel diese Griffposition flöten.
  6. Die neu eingebaute, starre Gabel hat mein Rad nach vorne kippen lassen. Gut und gerne 3cm in der Länge der Gabel habe ich sicherlich verloren. Somit reagiert das MTB jetzt fixer auf mich. Die etwas niedrigere Bottom Bracket scheint kein Problem zu sein.
  7. Die Sitzposition war mir etwas zu aufrecht – sagt besonders mein Arsch. Da noch etwa 2,5cm Spacer am Steuerrohr verbaut sind, werde ich den Lenker weiter nach unten setzen.
  8. Ich würde gerne mal Aerobars oder die Innerbarends von SQLAB testen. Ich könnte mir auch vorstellen, dass dickes Lenkerband an der Krümmung des Lenkers diese Griffposition verbessert.
  9. Die Apidura-Lenkertasche passt prima und es ist noch viel Platz zum Reifen. Das Lenkverhalten ist uneingeschränkt. Beim nächsten Mal probiere ich den Harness von Revelate Design aus.
  10. Der Dropperpost kommt natürlich in Brandenburg kaum zum Einsatz, aber die wenigen Male haben seinen Nutzen unter Beweis gestellt.
  11. Der Gepäckträger hat sich bewährt: Ich konnte ihn einem neuen Nutzen zuführen und die Schrauben hielten bombenfest. Ebenso hielt der 10l Drybag (ein wenig längerer Drybag mit geringerem Durchmesser wäre super). Beim nächsten würde ich jedoch einen dünnen Schutz unterlegen, der mit elastischen Kordeln versehen ist. So ist der Drybag vor Steinschlägen geschützt und ich kann schnell etwas unterbringen. Hier ist ein Artikel auf bikepacking.com, der mich dazu inspiriert hat.
  12. Im Vergleich zu meinem Cube Nuroad Race habe ich „plenty of space“ unter dem Downtube des Rahmens. Mit einem (wieder lösbaren) Kabelbinder und einer Schelle konnte ich einen Anything Cage sicher befestigen und darin eine 1l-Nalgene-Trinkflasche unterbringen. Zwischen Cage und Downtube war ein Stück alter Schlauch mit Tape angebracht, um Abrieb zu verhindern. Am Ende jeden Tages habe ich kontrolliert, ob der Cage verrutscht war: Es waren nur wenige Millimeter.
  13. Für noch mehr Wasserkapazität würde ich gerne den Gepäckträger etwas modifizieren (siehe folgenden Artikel auf bikepacking.com).

Und nun ihr: Wie sieht es bei euch aus? Habt ihr Spaß am Bikepacking mit einem MTB, oder habt ihr das noch nicht ausprobiert? Ich freue mich, von euch zu hören!

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