Tatra Mehrtagestour in Polen

Schneemann auf dem polnisch-slowakischen Grenzstein

Ende Oktober 2022 packe ich spontan meinen Rucksack für eine Mehrtagestour in der Tatra. Mit dem polnischen Intercity geht es nach Kleinpolen, über Krakau nach Zakopane.. Und siehe da, ich erwische in der Tatra einen wahrlich goldenen Herbst . Die Sonne präsentierte sich eine Woche lang mit einem Dauergrinsen und schmilzt beinahe sämtlichen in den Höhen gefallenen Schnee. Es ist perfekt angerichtet und riecht ein wenig nach Abenteuer.

Wenn du mehr darüber wissen möchtest, wie du nach Zakopane reist, wo du schläfst, wann man dort hinreist, was es alles zu beachten gibt, welche Regeln gelten, was man alles unternehmen kann und und und.. Antworten darauf findest du gesammelt im Blogbeitrag „Alles Wissenswerte zum Wandern in der polnischen Tatra„.

Meine Highlights:

  • Begehung des alpinen Adlerpfads Orla Perć
  • Schlafen in der urigen PTTK Hütte Kondratowa
  • fantastische Weitsichten auf dem Hauptkamm der Westtatra
Karte der polnischen Tatra, eigene Darstellung; der Gipfel Świnica stellt die Grenze der Westtatra und Hohen Tatra dar

Tagesausflug in die Westtatra

Im Gegensatz zur Slowakei, wo die Westtatra als Ziel eher abwegig erscheint, ist der polnische Teil der Westtatra super zu erreichen. Für den ersten Tag nehme ich mir daher eine intensive 20km-Wanderung im Westen der Tatra vor. Erst einen Tag später möchte ich eine Mehrtagestour durch die Tatra beginnen. Im Hostel (mehr darüber hier) habe ich zuvor Ava kennengerlernt, die mich heute begleitet (Greetings!). Unsere weiter folgend beschriebene Wanderung findet ihr hier bei Komoot.

Erstes Etappenziel ist die Besteigung des Małołączniak auf 2.096 m über ein Tal westlich des Giewont. Das Wetter ist absolut fantastisch und so spulen wir sieben Kilomenter Anstieg im nu ab. Die Aussicht auf die Gipfel ist fantastisch – so weit das Auge reicht schlängelt sich ein grasiger Kamm bis hin zur Hohen Tatra. Gemeinsam mit vielen anderen Wanderern lassen wir uns nieder und genießen diesen besonderen Bergmoment.

Vom Małołączniak aus geht es nun auf dem Kamm weiter Richtung Westen. Wir folgen nach 200 Metern Abstieg einem Wanderpfad nach Süden, der uns zur Hütte Hala Ornak im Dolina Kościeliska führt, dem zweiten Etappenziel. Es ist jetzt bereits 15 Uhr und mehr als Zeit für einen der berühmten polnischen Apfelkuchen.

Unterwegs treffen wir auf einen schwer beladenen, polnischen Bergsteiger. Es ist heute sein Geburtstag und der fleißige Warschauer Büroarbeiter beschenkt sich selbst mit 3 Tagen in der Hohen Tatra. Obwohl es verboten ist zu biwakieren, schläft er zwei Nächte mäuschenstill auf den Gipfeln der Tatra. Wir hören gespannt zu und laden ihn selbstverständlich auf einen Geburtstagsapfelkuchen ein. 

Unser neugewonnener Freund verabschiedet sich, ehe es dunkel wird, um noch einen Platz für die Nacht zu finden. Wir hingegen nehmen von Hala Ornak aus den direkten, ereignisarmen Weg zurück ins Tal. Um die Essensversorgung am Abend machen wir uns keine Gedanken, denn in Zakopane reiht sich Restaurant an Restaurant. Hier lassen wir den Tag bei einer deftigen Mahlzeit ausklingen.

Mehrtagestour Hohe Tatra und Westtatra

Nach diesem eintägigen Warmwerden und einigen Überlegungen soll nun nun eine dreitägige Hüttenwanderung entlang folgender Route folgen: Am ersten Tag geht es auf Umwegen ins Dolina Suchej Wody Gąsienicowej zur Murowaniec Hütte, wo ich zwei Nächte verbringe. So kann ich am zweiten Tag mit leichtem Gepäck den Bergpfad Orla Perć begehen. Am dritten Tag geht es auf den Gipfel Świnica und von dort aus über den Hauptkamm der Westtatra auf den Kasprowy Wierch, Giewont und über Nacht in die Kondratowa Hütte, Die Nacht hier ist nicht unbedingt nötig, da das Tal bereits sehr nah ist, aber die Hütte entpuppt sich als ein wunderbar uriges Erlebnis.

Tag 1, Tag 2 und Tag 3 meiner Mehrtagestour durch die Hohe Tatra und Westtatra in Polen findest du in meiner Komoot-Sammlung.

Dolina Suchej Wody Gąsienicowej

Noch die Tageswanderungdurch die Westtatra vom Vortag in den Knochen, beginnt mein zweiter Tag etwas verspätet. Bis auf das Ziel, die Hütte Murowaniec im Dolina Suchej Wody Gąsienicowej, steht die Tagesstrecke noch nicht richtig fest. Die Hütte ist aus dem Tal schnell erreichbar, doch der direkte Weg zu ihr ist eher ein breiter, autogerechter Hüttenversorgungsweg. Nicht schön!

Ich weiche aus. Als Etappenziel steuere ich zunächst durch mal dichten, mal gerodeten Wald den mit wenigen Felsen ausgestatteten Gęsia Szyja an. Auf nur 1.500 m genieße ich hier einen schönen Blick auf die slowakische Weiße Tatra (Belianske Tatry) und slowakische Riesen wie den L’adovy Štit (2,627m).

Von hier aus geht es über einen Wanderpfad entlang einer Bergflanke zur Hütte. Lange Zeit bin ich dabei ganz allein in einem undurchsichtigen Dickicht aus Wald, Busch und gerodeten Stämmen. Die ganze Szenerie wirkt auf mich ein wenig einschüchternd, denn lange Zeit sehe ich niemanden und genau dieser Teil soll für seine Bären bekannt sein. Toll.

Entgegen meiner Befürchtungen erlebe ich kein pelziges Abenteuer, sondern steuere nach vielen Stunden die Hütte Murowaniec an. Frisch renoviert und ausgebaut präsentiert sie sich … meine Gefühle sind gemischt: Die Räume sind karg und mit metallenen Betten ausgestattet, die Bäder sehr modern, der Speisesaal groß und holzvertäfelt, die Essensausgabe wiederum hat etwas von einer modernen Kantine. Eine merkwürdige Kombination aus Berghotel und Berghütte, aber okay. Hier bleibe ich für zwei Nächte.

Orla Perć – Adlerpfad

Am zweiten Tag meiner Mehrtagestour begehe ich Polens schwierigsten Wanderpfad: den Orla Perć – auf deutsch Adlerpfad. Hier ganz in Kürze:

  • 4,5km langer Nordgrat
  • 6 bis 8 Stunden Gehzeit
  • mehrere Ausstiegsmöglichkeiten
  • einige Ketten, Leitern und Klammern vorhanden, aber kein Klettersteig
  • Einbahnstraßensystem, da es voll werden kann (Wochenende, Ferien)
  • Sperrungen und aktuelle Warnhinweise gibt es hier
  • 21 Tote und 112 Unfälle zwischen 1995 und 2004

Zwischen den beiden Tälern Suchej Wody Gąsienicowej (Murowaniec Hütte) und Pięciu Stawów Polskich, dem Beginn der Hohen Tatra, erstreckt sich sich ein 4,5 km langer, herrlich ausgesetzter Nordgrat. Der Pfad, durch einige Ketten, Leitern und Klammern zwischenzeitlich abgesichert, beginnt am Sattel Zawrat und schlängelt sich hinüber bis zum Krzyżne-Sattel. Für den gesamten Grat benötigst du 6 bis 8 Stunden. Währenddessen übersteigst du dutzende Gipfel, wovon Kozi Wierch mit 2.291 m den höchsten Punkt darstellt.

Ich breche am frühen Morgen von der Hütte Murowaniec zum Sattel Zawrat auf. Der Sattel ist in der Nordseite noch leicht mit Altschnee und ein wenig Eis bedeckt. Nach einer kurzen Pause folge ich der Einbahnstraße auf den Nordgrat, den Orla Perć.

Die Gratwanderung ist ein absoluter Genuss. Schön ausgesetzt geht es zwischen den tiefen Sätteln und kantigen Gipfeln auf und ab. So gilt es über viele Stunden, meine Konzentration hochzuhalten. Im Winter, bei wenig Tageslicht, ist der Orla Perć bestimmt eine harte Tour. So war es bei ca. 10°, wenig Wind und viel Sonnenschin aber einfach nur herrlich. Ein kleines Manko war der allerletzte Teil, der aufgrund einer Sanierung gesperrt war. Sei es drum, es wurde eh schon spät!

Unterwegs treffe ich übrigens nur wenige Bergsteiger, die es mir nachmachten. Besonders negativ fiel mir leider eine junge Frau in leichten Turnschuhen auf, die den Grat auch noch entgegen der angedachten Richtung ging, Absolut nicht für die Berge ausgestattet, saß sie an einem Sattel und ruhte sich aus. Eine offensichtliche Sprachbarriere hinderte uns leider an der Kommunikation. Man, man, man. Die Diskussion darüber, ob hier ein richtiger Klettersteig nach westlichem Standard eingebohrt werden soll, dauert weiterhin an.

Świnica, Giewont & Kondratowa

Heute wird nochmal richtig Gas gegeben: Es geht hoch hinaus auf die Świnica (2.301 m), den ersten Gipfel im Westen der Hohen Tatra. Dabei stellen sich mir wiederholt einige Eisfelder in den Weg, die sich jedoch mit geübter Trittsicherheit und Stöckern noch meistern lassen. Heute, an meinem letzten Wandertag in der Tatra, haut das Wetter nochmal richtig einen raus, ehe es ab morgen zuzieht. Wahnsinn, was das für Ausblicke sind! Im Süden ist deutlich Kriváň, der heilige Berg Slowaken, und die Niedere Tatra im Hintergrund auszumachen. Ein Glück habe ich mein Fernglas dabei.

Aber all zu lange kann ich nicht pausieren, denn ich habe noch viele Kilometer vor mir. Der weit entfernte Gipfel Giewont mit seinem großen Kreuz ist von der Świnica gut auszumachen. So geht es schnurstracks auf mal breiten und mal schmalen Wegen auf dem grasigen Hauptkamm der Tatra gen Westen. Auch eine Tatragams teilt meine Freude, reckt ihren Kopf in zwanzig Metern Entfernung gen Sonne.

Mit dem sich abzeichnenden Ende des Tages erreiche ich den vermutlich am meisten bestiegenen Gipfel in der Region. Gekennzeichnet durch ein riesiges, stählernes Gipfelkreuz, erhebt sich der Giewont mit 1.895 m als vorgelagerter Gipfel des Hauptkamms über der Stadt Zakopane. In Hochzeiten, so verraten es die Bilder im Netz, bilden sich hier irrsinnig lange Warteschlangen, um hinaufzusteigen. Das Ausmaß scheint so groß zu sein, dass ein Einbahnsystem entgegen dem Uhrzeigersinn angelegt wurde, um die Massen zu lenken.

Unerfreulicherweise entpuppt sich der Giewont als die gefährlichste von allen Unternehmungen der vergangenen Tage. Trotz angebrachter Ketten sind die Steine so dermaßen glatt poliert, dass sich kaum Halt ergibt. Ich kann mir sehr gut vorstellen, wie hier viele, völlig unbeholfene Menschen herumtrampeln und -latschen, mit dem Po vor Angst hinunterrutschen. Ergo: Der Blick von oben ist toll, die Besteigung großer Mist.

Ich bin vermutlich an diesem Abend der letzte Besucher des Gipfelkreuzes. In der Dämmerung finde ich rasch den Weg nach unten zur Kondratowa-Hütte. Sie entpuppt sich als ein richtiger Glücksgriff: Uralt, wenig in Schuss gehalten, ein paar polnische Großmütter am Herd und wohlriechende Altholzbetten. Was für ein Traum und Entschädigung für diese Mehrtagestour durch die polnische Tatra. Glaubt mir, Ich falle sehr glücklich in einen tiefen Schlaf.

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