Ohne Visum Weißrussland bereisen

Burg Memel

Wer hätte gedacht, dass man ohne Visum Weißrussland bereisen kann? Es muss eine Verwechslung vorliegen! Nein, Max hat es getan und ist ohne Visum eingereist – ja sogar ohne das bekannte Schlupfloch mit den westlichen Nationalparks. Das Schlupfloch kennst du auch noch nicht? Dazu später mehr. Für dich gibt Max jetzt erst einmal einen Einblick in einen – für seine Verhältnisse – durchgetakteten Spaß. Und den wünsche ich dir jetzt auch.


Nachtzug nach Weißrussland

Hallo allerseits! Wie viele junge Menschen genieße ich auch so häufig es geht das Privileg, frei durch ein geeintes Europa zu reisen. Das mache ich am liebsten abseits der typischen Touri-Pfade. Ich mag es, wenn Orte nicht problemlos zu erreichen sind. Ich stehe ja total auf Nachtzugfahrten, auch wenn sie meistens ein wenig mehr kosten als der Billigflug vom nächsten Provinzflughafen. In einer Vielzahl der Fälle verbinde ich meine Reisen mit dem Besuch von Fußballspielen vor Ort. Das ist auch der Anlass dieser Reise nach Weißrussland bzw. Belarus (die Begriffe sind Synonyme). Keine Sorge, die fußballerischen Inhalte haben anderswo Platz und sind hier kein Thema. Den Grund der Reise halte ich aber für eine wichtige Hintergrundinfo für das Verständnis des Textes. So, genug der Vorrede, los geht’s.  

Die Umrisse Weißrusslands
Die territorialen Umrisse Weißrusslands, Bildquelle: Pixabay

Wer und was ist Weißrussland?

Belarus ist kein typisches Reiseland. Im Gegenteil: Weißrussland besitzt den Ruf der letzten Diktatur Europas (ich könnte hier praktisch jedes deutsche Leitmedium zitieren) und dafür gibt es einige Belege: Bereits seit 1994 regiert Alexander Lukaschenko (die Schreibweise kann je nach Quelle variieren) als Präsident das Land, als einziges europäisches Land vollstreckt Weißrussland noch die Todesstrafe, die Pressefreiheit ist stark eingeschränkt (Rang 153 von 180 in der Rangliste der Pressefreiheit, Reporter ohne Grenzen, 2019) und ein freies Ein- und Ausreisen in die Republik Belarus ist für Bürger der EU nicht ohne Weiteres gegeben. Gerade Letzteres hat mich persönlich immer davon abgehalten, das Land zu besuchen. Ich reise gerne spontan und bin flexibel. Mich Wochen oder Monate vorher um ein Visum kümmern, das dann schon den Tag meiner Ein- und Ausreise festlegt… Nein, dagegen habe ich mich bisher gesträubt und dagegen sträube ich mich auch weiterhin. 

Doch es gibt immer wieder Anlässe, zu denen sich das sonst so abgeschottete Belarus ein wenig für die Öffentlichkeit öffnet. Wie auch in meinem Fall: Die zweiten European Games (eine Sammlung von Europameisterschaften von eher Randsportarten mit geringerer öffentlicher Beachtung, wie zum Beispiel Schießen, Judo und Kanufahren) finden zehn Tage lang in Minsk statt. Mit einem Ticket zu einer dieser Veranstaltungen (spottbillig) kann man zehn Tage davor und danach auch das Land bereisen. Zur Eishockey WM 2014 gab es denselben Deal schon einmal und im Jahre 2021 wird Minsk diesmal Co-Gastgeber der Eishockey WM sein, wer also gern stressfrei Belarus besuchen möchte, kann auf eine gleichartige Regelung im nächsten Jahr hoffen. 

Die Grenze zwischen Polen und Weißrussland kann wahrhaftig willkürlich erscheinen
Die Grenze zwischen Polen und Weißrussland kann wahrhaftig willkürlich erscheinen

Hrodna als Einstieg

Ich reise mit einer Gruppe von fünf weiteren Leuten nach Belarus und unsere erste Anlaufstelle ist die Stadt Hrodna/Гродна. Mit gut 370.000 Einwohnern ist die Hrodna die viertgrößte Stadt des Landes. Ein wichtiger Grenzübergang nach Polen, der für Fahrzeuge, Züge und seit neustem auch Fußgänger passierbar ist, befindet sich 20 Kilometer vom Zentrum Hrodnas entfernt. Wir reisen mit dem Zug an und stellen uns bei der Passkontrolle direkt in die Schlange, die für Besucher der European Games vorreserviert ist. Die Formalitäten sind für uns schnell erledigt, im Gegensatz zu den „normalen“ Passschlangen. Wir haben nur ein langes Wochenende Zeit, also bei weitem nicht genug, um Land und Leute ausreichend zu entdecken (wobei sich die Frage stellt, inwieweit das in Weißrussland überhaupt möglich ist). Bei bestem Wetter widmen wir uns ein paar Stunden der Innenstadt von Hrodna. Die ist schön anzusehen und man kann sich zwischen Kirchen, alter und neuer Burg oberhalb der Memel, Fußgängerzone, diversen großen Plätzen uuuund allerhand kommunistischer Artefakte gut die Zeit vertreiben. Auch hier sind die European Games präsent, eine Videoübertragung wird auf dem Hauptplatz garantiert und junge Leute, die Englisch sprechen können, informieren bei Bedarf. Wir verfolgen die Videoübertragung nur am Rande, es muss schließlich auch ausgiebig die lokale Küche getestet werden. Kulinarisch reiht sich die belarussische Küche in die typischen Küchen Osteuropas ein. Bei Speisen gleichermaßen wie bei Getränken. Es gibt große Portionen, die lecker sind, aber eher einfachen Ursprungs und die definitiv sehr satt machen.

Russisch-Orthodoxe Kathedrale in Hrodna
Russisch-Orthodoxe Kathedrale in Hrodna

Minsk, die Hauptstadt von Weißrussland

Nach dem Abendprogramm in Hrodna geht es mit dem Nachtzug, den wir vorher schon aus Deutschland reserviert hatten, in die Hauptstadt Minsk weiter. Minsk ist mit Abstand die größte und bedeutendste Stadt des Landes. Hier befinden sich alle wichtigen Institutionen des Landes, die größten Unternehmen, die Verkehrsachsen kreuzen hier… Eine typische Hauptstadt eben. Minsk hat einerseits die größte Prachtstraße des Landes, andererseits aber auch die mächtigsten sowjetischen Wohnblockkomplexe. Arm und Reich, Aufbruch und Verfall, Pro-Europa und russische Abhängigkeit werden in Minsk sehr deutlich. Wir verbringen den Tag in einem der größten Badeparadiese Europas (auch sowas gibt’s in Minsk), sind Kart fahren, beim Fußball natürlich und schlendern durch den schicken Teil von Minsk. Dort gibt’s auch Abendessen noch ein paar Drinks danach und der Unterschied zu anderen großen Städten dieser Welt fällt gar nicht sehr auf. Am nächsten Tag folgt schon die Rückreise, diesmal reisen wir über Vilnius aus. Auch wenn für mich das Baltikum sehr nach Europa klingt und Weißrussland dagegen nach wildem Osten, trennen die beiden Hauptstädte keine 200 Kilometer. 

Die Minsker Altstadt ist am Abend gut gefüllt
Die Minsker Altstadt ist am Abend gut gefüllt

Und nun? Was bleibt?

Wir verbringen 48 Stunden in Europas letzter Diktatur, fühlen das aber nicht so sehr. Die European Games überstrahlen alles, als Besucher dieser wird man direkt bei der Ankunft von „normalen“ Reisenden und Einheimischen getrennt, es geht zügig voran an der Grenze, englischsprechende Leute treffen wir häufig, überall wird für die Spiele geworben, in Minsk gibt es sogar ein eigenes Nahverkehrsnetz, was die verschiedenen Veranstaltungsorte verbindet. Ich bin damit in Weißrussland gewesen, habe aber wahrscheinlich nichts vom normalen Leben vor Ort mitbekommen. Schön war es definitiv, ohne Visum Weißrussland bereisen zu können – auch wenn Weißrussland nicht das typische Land für Städtetrips ist. Wer sich mit mehr Zeit an diese Destination wagt, sollte die waldreichen Nationalparks in den Fokus nehmen. Das scheinen einmalige Gegebenheiten in Europa zu sein!

Ohne Visum Weißrussland bereisen

Grundsätzlich braucht es für Reisende aus Deutschland (Österreich und Schweiz ebenso) die Beantragung eines Visums für die Einreise nach Weißrussland. Auch für den Transit durch Weißrussland weiter nach Russland wird ein Visum benötigt! Aber es gibt ein paar Ausnahmen: Wer über den Flughafen Minsk einfliegt, kann 30 Tage ohne Visum Weißrussland besuchen (aber Fliegen ist nicht gut, also scheidet das aus) und wer die Nationalparks „Belovezhskaya Pushch“ oder „Augustow Canal“ (grenznah zu Polen, die Städte Hrodna und Brest sind bei einem Besuch der Nationalparks ebenso mitinbegriffen) ausschließlich touristisch besucht, kann 15 Tage visumsfrei auf dem Landweg einreisen. Dazu muss aber vorher eine Erlaubnis bei einer berechtigten belarussischen Reiseagentur eingeholt werden und – bitte beachten – man darf sich nicht frei im Land bewegen, sondern muss in einem Gebiet nahe der Grenze zu Polen bleiben.

Der Minsker Hauptbahnhof
Der Minsker Hauptbahnhof

Fun Fact: Die beiden Staaten Weißrussland und die Russische Föderation trennt keine kontrollierte Grenze. Auf diesem Abschnitt ist eine politische Grenze gegeben, aber es gibt keine für den internationalen Verkehr zugelassenen Grenzübergangsstellen. Diese Regelung gilt unter der Russisch-Weißrussischen Union. Mehr zu Russland findest du auf meinen Reisebeschreibungen.

Anreise nach Weißrussland

Dreimal die Woche (Freitag, Samstag und Montag) gibt es einen direkten Zug von Berlin nach Moskau, der in Brest weißrussisches Territorium berührt und über Minsk fährt. Dieser wird jeweils von der russischen Staatsbahn betrieben und ist ein Nachtzug. Vom polnischen Staatsgebiet gibt es direkte Verbindungen von Krakow über Warschau und Bialystok nach Hrodna oder Warschau nach Brest oder Minsk. Wer nicht die gesamte Strecke in einer Tour machen möchte, kann sich also überlegen, ob ein Stopp in Polen sinnvoll ist. Auch Flixbus fährt mittlerweile nach Belarus, hat aber mit Minsk nur einen Stopp im Land. Direktverbindungen gibt es ab Warschau und Danzig. Die zwei größten Grenzübergänge (jeweils für Fußgänger, Straße und Schiene) sind zwischen Terespol (PL) und Brest (BY) oder bei Hrodna (Kuznica (PL) und Bruzhi (BY)). Diese sind 24h geöffnet und die gängigsten Möglichkeiten für den Grenzübertritt. 

Wichtige Links und Informationen zur Einreise

https://www.rw.by/en/ (belarussische Bahn, englisch) 

http://germany.mfa.gov.by/de/ (belarussische Botschaft)

https://gpk.gov.by/en/ (belarussische Grenzbehörde, englisch)

https://grodnovisafree.by/en/ (visafreie Einreise Hrodna und Umgebung, englisch) 

http://tour.brest.by/ (visafreie Einreise Brest und Umgebung, englisch)

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